Kanufahren in Ostfriesland, © Tourismusmarketing Niedersachsen GmbH
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Pad­deln und Ra­deln bis zum Ho­ri­zont


Tief die frische Luft einatmen, leise auf einem Kanal durch Ostfriesland treiben und entspannt mit dem Rad übers flache Land radeln: Eine Tour mit „Paddel und Pedal“ verspricht Entschleunigung und eine Auszeit vom Alltag.

Gemächlich gleitet das rote Kanu über den trüben Fluss. Jan und Rayk müssen kaum rudern, ein kurzes Paddeln ab und zu reicht völlig aus, um den Kurs zu halten. Ihre Blicke schweifen über die weite Landschaft rechts und links der Leda. Kein Hügel oder Berg stört die Aussicht bis zum Horizont. Kuschelig gelockte Schafe grasen auf den Wiesen und im Schilf am Ufer wartet ein Reiher auf seinen nächsten Fisch. Über Ostfriesland liegt eine andächtige Ruhe, nur unterbrochen vom Geräusch der Paddel, die ins Wasser eintauchen. Genau so hatten es sich die beiden Freunde vorgestellt.

Ein­fach aus dem All­tag pad­deln


Auf ihrer Kombitour aus Kanu- und Radfahren von Leer nach Stickhausen und zurück werden Jan und Rayk von Arno Ewen begleitet. Der passionierte Kanuguide erkundet regelmäßig mit Besuchern die zahlreichen Kanäle und Flüsse Ostfrieslands. „Was Paddel und Pedal so besonders macht, ist die Kombination aus Kanu- und Radfahren“, erzählt er. „Wir haben 18 Stationen in ganz Ostfriesland an unterschiedlichen Gewässern. So können Besucher bei uns verschiedene Strecken fahren, ganz nach ihren Bedürfnissen. Einige Strecken sind abhängig von den Tiden, andere können zu jeder Tageszeit befahren werden.“ Und weiter: „Die Touren dauern so zwei bis vier Stunden und sind eine wunderbare Gelegenheit, raus in die Natur zu kommen und etwas zu erleben. Auch der Perspektivwechsel beim Kanufahren ist etwas Besonderes. Man ist plötzlich mitten auf dem Fluss und mit sich selbst beschäftigt, dadurch entkommt man dem Alltag.“

Genau das haben auch Jan und Rayk vor. Gemeinsam mit Arno paddeln sie irgendwo zwischen Leer und Stickhausen über die Leda, einen Seitenfluss der Ems. Wie lange schon, das wissen sie nicht genau. „Spielt auch keine Rolle“, sagt Rayk lächelnd, „Wenn wir da sind, sind wir da.“ Gemeinsam beobachten sie die vielen Schwalben, die knapp über dem Wasser Insekten jagen. Ab und an folgen ein paar Enten ihrem Boot. „Jetzt müsst ihr gleich kurz aufpassen, da kommt kreuzender Verkehr“, ruft Arno ihnen zu. Noch eine Linkskurve, dann sehen Jan und Rayk, was er gemeint hat. Vor ihnen, am rechten Ufer, liegt eine Fähre. Es ist die Pünte in Wiltshausen, eine von Hand gezogene Fähre für Radfahrer und Fußgänger, die älteste in Nordeuropa. Langsam paddeln die drei auf den flachen Kahn zu, doch schon winkt ihnen einer der beiden Fährmänner und zeigt an, dass sie vorbeifahren können. Dank der Strömung geht das recht flott – einziges Problem: sie müssen direkt rechts in die Jümme abbiegen, um auf der Route zu bleiben. Kräftig lenkt Rayk ein, der hinten im Kanu sitzt und damit die Position des Steuermannes innehat. In einem großen Bogen und mit vereinter Muskelkraft schaffen sie es in die Einmündung, bevor die Strömung sie vorbeiträgt.

Die Ge­zei­ten be­stim­men die Tour


„Die Strömung ist ein ganz eigenes Thema“, meint Arno. Er kennt die Gezeiten in den hiesigen Kanälen und Flüssen genau und weiß, dass sie auch bei einer Kanutour berücksichtigt werden müssen. „Bei uns in Ostfriesland auf den Flüssen, auf denen wir paddeln, sind die Tiden deutlich zu merken. Es gibt sechs Stunden Flutströmung und sechs Stunden Ebbströmung. Dadurch haben wir die Möglichkeit, auch flussaufwärts zu fahren. Aber beim Buchen einer Tour muss man die Gezeiten eben immer beachten. Ungeübte würden es gar nicht schaffen, auf Dauer gegen die Strömung zu paddeln. Andererseits können wir während der Tour den natürlichen Motor der Strömung für uns nutzen und uns auch einfach mal ein Stück treiben lassen.“

Nach etwa drei Stunden erreichen Jan, Rayk und Arno ihr Zwischenziel: den Anlegesteg an der Paddel- und Pedal-Station in Stickhausen. Noch einmal geht es unter einer schönen, weißen Klappbrücke hindurch, wie es viele in Ostfriesland gibt, dann ist der Steg zu sehen. Jetzt müssen Jan und Rayk zeigen, was sie am Morgen von Arno gelernt haben: das Boot richtig an den Steg manövrieren, dann einer nach dem anderen aussteigen, sich gegenseitig helfen und gemeinsam das Boot aus dem Wasser ziehen. Geschafft! Vor dem roten Holzschuppen lassen sich die beiden ins Gras fallen und genießen die Aussicht auf den ruhigen Fluss, während Arno ihnen die Fahrräder bereitstellt. Noch die Höhe der Sättel richtig einstellen, dann geht es für die beiden rund 14 Kilometer zurück nach Leer. Arno transportiert in der Zwischenzeit die Kanus mit dem Auto ins Lager. „Unsere Routen sind bestens ausgeschildert, den Weg finden die zwei schon“, lacht er noch, bevor er ins Auto steigt. Er soll recht behalten.

Klei­ne Aben­teu­er am We­ges­rand


Los geht’s für Jan und Rayk auf einer Straße parallel zur Jümme. Die Perspektive ist jetzt eine ganz andere. Die Schafe auf den Deichen wirken viel kleiner, von den Backsteinhäusern sehen sie nun nicht mehr nur die Dächer und ihnen wird klar, was Arno mit seinem Spruch gemeint hat: „Hier kann man morgens schon sehen, wer nachmittags zu Besuch kommt.“ Ostfriesland ist flach und grün bis zum Horizont. Überall durchbrechen kleine Flüsse – die eingedeicht, aber nicht begradigt sind – die vielen Felder und Wiesen. Zwar ist die Landschaft von Menschen geprägt, die beiden Freunde treffen unterwegs aber fast niemanden. Herden schwarz-weißer Kühen grasen am Wegesrand. In einem der kleinen Orte kreuzen ein Hahn und seine Hennen, wie selbstverständlich, die Straße und zwingen Jan und Rayk zu einem kurzen Stopp, der ihnen ein Schmunzeln entlockt.

Das letzte Stück ihrer Tour führt sie an der Leda entlang, an Schloss Evenburg vorbei und schließlich zurück an die Paddel- und Pedal-Station Leer-Loga, wo Arno sie bereits erwartet. Er freut sich jedesmal darauf, zu sehen, was die Kombitour mit den Besuchern gemacht hat: „Am Anfang sind die Leute oft noch ein bisschen aufgeregt, sind vielleicht noch nie Kanu gefahren. Aber nach ein paar Metern auf dem Wasser, merkt man, wie alle ruhiger und entspannter werden. Das zieht sich auch die Fahrradtour hindurch. Wenn ich privat paddle, geht es mir genauso. Ich genieße am liebsten die Ruhe, lasse mein Handy an Land und sauge die Eindrücke der Natur auf. Der nächste Bürotag kommt bestimmt und dafür sammle ich so wieder Kraft.“ Genau wie Jan und Rayk heute.