„Moin“, dröhnt uns die Stimme des Kapitäns entgegen, als wir es betreten und uns erst einmal in die Wärme unter Deck flüchten, von wo uns bereits der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee entgegensteigt. Eine Gruppe von insgesamt 15 Menschen findet sich hier innerhalb der nächsten Minuten ein und macht es sich auf den honigfarbenen Holzbänken gemütlich.
„Willkommen auf der MS Jens Albrecht“, ergreift ein Mann mit grauem Haar und verschmitztem Blick kurz darauf das Wort, stellt sich als Ralf Sinning und Leiter des Nationalparkhauses Wangerland vor und erläutert noch einmal, wofür wir hier sind – eine Bootstour zum Sonnenaufgang auf den Spuren der Wildgänse und anderer Zugvögel. Als geheimer Vogelkunde-Fan hatte ich Tobi davon überzeugen können, eine Veranstaltung im Rahmen der Zugvogeltage zu buchen. Eine Erlebnisreihe hier in der Region, bei der sich jeden Oktober zwei Wochen lang alles um die Zugvögel dreht, die auf ihrer Reise in den Süden im Wattenmeer Rast machen.
Die folgenden vier Stunden verbringen wir mit unseren Ferngläsern an Deck und halten Ausschau nach Wildgänsen, Eiderenten, Ringelgänsen und anderen südlich ziehenden Vögeln, während uns die klare Nordseeluft um die Ohren pustet. Über die Lautsprecher des Schiffs gibt Vogelforscher Werner Menke – von der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Natur und Umweltschutz – immer wieder Hinweise, wo es etwas zu entdecken gibt. Das heißt, wenn er nicht gerade mit seinem bereits leicht zerfledderten Vogelbuch über Deck wandelt und neugierigen Gästen bei der Bestimmung von erspähten Arten hilft. „Oh, Achtung“, hallt seine Stimme da auch schon wieder über die in Kapuzen und Stirnbänder eingepackten Köpfe hinweg. „Steuerbord könnt ihr zur Abwechslung mal etwas anderes Ortstypisches entdecken.“ Nur wenige Sekunden später steht die Gruppe in Reih und Glied an der Reling und bewundert einen kleinen Seehund, der sich neben ein paar Möwen auf einer Sandbank räkelt.